Bulmahn baut vor
Offiziell hält die Ministerin am Gebührenverbot fest - und bastelt schon an einem Modell für Studienkonten
BERLIN taz Edelgard Bulmahn hintertreibt ihre eigene Strategie. Als Bildungsministerin fährt sie die Debatte um Studiengebühren klein. Keinerlei Handlungsbedarf mag sie hinsichtlich der zum Jahresende fälligen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts erkennen, ob der Bund Gebühren für das Erststudium weiterhin verbieten darf.
Als Taktikerin will sie dagegen ihre Genossen im Vorfeld auf Linie bringen. "Ich möchte gemeinsam mit den SPD-Ländern und meiner Partei in den nächsten Monaten eine einheitliche sozialdemokratische Studienfinanzierung entwickeln", kündigte sie aus dem Urlaub an. Für Langzeitstudenten und ausländische Studierende könne sie sich auch... weiter bei der taz und Kommentar von Studis-online
Die Uni Gießen hält ein PDF-Formular zum Ausdrucken bereit, um einen Antrag auf Minderung, Stundung oder Erlass der Studiengebühren für LangzeitstudentInnen zu stellen.
Grundsätzlich lohnt sich ein Versuch dann, wenn die Gebührenerhebung eine 'unbillige Härte' darstellt (zB bei Behinderung, chronischer Erkrankung, Opfer schwerer Straftaten oder wirtschaftliche Notlagen in unmittelbarer zeitlicher Nähe zur Abschlussprüfung), oder wenn man bereits nachweislich zur Abschlussprüfung angemeldet ist.
Grundsätzlich würde ich die Chancen als eher niedrig beurteilen, aber dennoch eigenlich jedem empfehlen, es mal zu versuchen.
Die besten Chancen dürfte man wohl auf Stundung der Gebühr haben, d.h. dass man sich bereits zur Prüfung angemeldet hat und dadurch wahrscheinlich vor 2005/2006 fertig würde und somit die Gebühren zurück erhalten würde. Hier besteht die Möglichkeit, dass das Land Hessen einem das Geld, welches es ja eh an seine rechtmässigen Besitzer wieder zurück bezahlen muss, solange "leiht". Unklar ist, ob das Land Hessen bei einer Stundung eine Verzinsung fordern wird.
Angesichts der Tatsache, dass jede Studiengebühr die dem Land gezahlt wird (aber die dann bei Studienabschluss vor 2005/2006 wieder zurück bezahlt werden muss) ja sowieso ein zinsloser Kredit der Studierenden an das Land ist, ist das schon ein starkes Stück.
Leider war die Uni Gießen im letzten halben Jahr nicht in der Lage, den Studierenden welche einen Widerspruch gegen das jeweils festgestellte Studienguthaben eingelegt hatten eine Antwort zu schicken, und ihnen somit die Rückmeldung zum nächsten Semester überhaupt zu ermöglichen. Das Semesterticket läuft am 30.9. aus. Alle Studierenden welche Widerspruch eingelegt hatten konnten sich nicht in der ersten Rückmeldephase vom 12.-23.7. rückmelden, sondern dürfen dies frühestens am 27.9, da die Verwaltung nicht in der Lage zu sein scheint, die Beschwerden (welche teilweise durch fehlerhafte Berechnungen der Uni entstanden) in einer angemessenen Zeit zu bearbeiten.
Studienguthaben für LangzeitstudentInnen werden anscheinend aufgrund der Inkompetenz der GebühreneintreiberInnen und -verwalterInnen mehr oder minder willkürlich festgesetzt, man spricht dann von einem "Datenbankfehler": Das Referat für Studenguthaben, das die zeitlichen Boni und Mali der Studenten verwaltet, will 500 Euro Bummelantenstrafe von mir. Im März hieß es noch, ich dürfte bis 2006 gebührenfrei studieren, und jetzt das. Was soll denn das bitte?
Natürlich hab ich das mit 2006 auch schriftlich. Hab ich gleich durchgefaxt (ans Telefon gehen die ja aus Prinzip nicht), mit dem freundlichen Hinweis, den internen Fehler doch bitte zu beheben. Antwort gab's keine, dafür rief der studentische Senator meines Vertrauens an. Er wolle der Sache mal auf den Grund gehen und sich umhören, ob das noch mehr Leuten passiert sei.
Ist es. Etwa 500 Studenten erhielten eine Zahlungsaufforderung mit Fristsetzung bis zum 1. September, danach Verlängerungsfrist mit 15 Euro Säumniszuschlag. Weiterlesen: natürlich ist mal wieder die datenbank schuld.
Siehe auch in der taz: Hessens Langzeitgebühren beweisen: Viele Studis zahlen zu Unrecht - und das Geld holt sich der klamme Staat.
Sowie schon etwas älter: Gebühren-Chaos: Uni Marburg verschickt fehlerhafte Gebührenbescheide.
Ich für meinen Teil warte immer noch mal überhaupt auf eine Antwort der Uni Giessen, welches es anscheinend seit einem Vierteljahr nicht für nötig hält, auf meinen Einspruch auch nur auf irgendeine Art und Weise zu reagieren.
Der AStA der Uni Marburg empfielt für die anstehende Rückmeldung folgendes Vorgehen: Die Zahlung des Verwaltungskostenbeitrags sollte unter Vorbehalt geschehen. So sollte auf dem Überweisungsträger folgende Formulierung enthalten sein: "Zahlung des Verwaltungskostenbeitrags erfolgt unter Vorbehalt". Falls die Zahlung per Lastschrift bei der Hochschule eingeht, muss ein gesondertes Schreiben an die Hochschule gerichtet werden. Ein Widerspruch sei aus formalen Gründen nicht möglich, da die Hochschule keinen Bescheid zur Zahlung erlässt, sondern die Pflicht zur Zahlung unmittelbar aus dem Gesetz hervorgehe. Anschließend sollte der Verwaltungskostenbeitrag zurückgefordert werden. Mustertexte bzw. -schreiben finden Sie unter http://downloads.asta-marburg.de/ref-hopo/presse/gew-2004-08-02_verwaltungskostenbeitrag.pdf via hessen.uebergebuehr.de, deren News wir da jetzt auch da rechts unten auf der Seite haben ;-)
Vom 03.08.2004 [...]
Nach Aussage des hessischen Wissenschaftsministers Udo Corts (CDU) gibt es zwischen den unionsregierten Ländern keine Vereinbarung über die Erhebung von Studiengebühren ab 2006, wie sie in den Medien dargestellt würde. Und in Hessen sind diese sowieso kein Thema. "Im laufenden Regierungsprogramm sind keine allgemeinen Studiengebühren vorgesehen", ließ Corts gestern aus seinem Urlaub an der Nordsee verlauten. Hessen habe nur angestrebt, Langzeitstudenten zur Kasse zu bitten. "Aber diese Aufgabe ist inzwischen abgearbeitet", so der Wissenschaftsminister. [...]
Unterschiedlich sind die Meinungen zu allgemeinen Studiengebühren an der Frankfurter Universität. Uni-Präsident Rudolf Steinberg erklärte gestern auf Anfrage, dass das Präsidium deren Einführung unter drei Voraussetzungen befürworte: Es sollte sich um eher bescheidene Bildungsbeiträge der Studierenden handeln, die Ausgestaltung müsse unbedingt sozialverträglich erfolgen, und die bisherigen Landeszuschüsse dürften nicht abgesenkt werden. [...]
Die CDU-Studentenorganisation Ring Christlich-Demokratischer Studenten (RCDS) unterstützt unterdessen Forderungen nach Studiengebühren auch für Erststudiengänge von rund 1 000 Euro im Jahr. Sie forderte allerdings, dass diese ausschließlich den Hochschulen zufließen sollten, erklärte der hessische Landesvorsitzende Christian Richter-Ferenczi gestern in Kassel. Zum ganzen Artikel: Main-Rheiner: Nur Langzeitstudenten zahlen.
Sollten Studiengebühren bereits ab dem 1. Semester erhoben werden?
Bildungsministerin Bulmahn hält eine neue Diskussion über Studiengebühren vor einem Urteil des Verfassungsgericht für unnötig.
Bundesbildungsministerin Edelgard Bulmahn (SPD) ist weiter entschieden gegen Studiengebühren. Ein kostenpflichtiges Studium würde «Studierende vom Studium abschrecken», sagte die Ministerin der Berliner Zeitung. Der Union warf sie Inkonsequenz vor: Sie fordere Studiengebühren, kürze aber gleichzeitig die Etats für Hochschulen, so wie es gerade in Bayern geschehe. Weiterlesen bei der Netzeitung.
Bund und Länder rüsten sich für den nächsten Akt im bildungspolitischen Trauerspiel
Vor einer Woche entschied das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe, dass die bundesweite Einführung der Juniorprofessur nicht mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Im November droht nun einem weiteren Eckpfeiler der rot-grünen Hochschulpolitik die juristische Abrissbirne. Kaum ein politisch Verantwortlicher auf Bundes- und Länderebene rechnet mehr ernsthaft damit, dass jenes von Bildungsministerin Edelgard Bulmahn verordnete Verbot von Studiengebühren eine Klage, die gleich sechs Bundesländer eingereicht haben, schadlos übersteht. Abgesehen von ihr selbst natürlich, denn die Ministerin kann sich einen weiteren Fehlschlag möglicherweise nicht mehr leisten. Weiterlesen bei Telepolis.
Eine Übersicht über die Höhe und Art der jeweiligen Studiengebühren an deutschen Hochschulen in den verschiedenen Bundesländern findet sich bei Studis Online. Zudem gibt es weitere Informationen zum Stand der Dinge sowie zur Entwicklung allgemein und in den jeweiligen Ländern.
Zum Artikel:
[1] Erst zahlen, dann studieren - Studiengebühren in Deutschland
[2] Studiengebühren in Hessen
CHE warnt vor übertriebener Euphorie im Sommerloch
Keine Gebühren ohne sozialverträgliche Stipendien- oder Darlehenssysteme
Angesichts der aktuellen Debatte über die Einführung von Studiengebühren warnt das Gütersloher Centrum für Hochschulentwicklung (CHE) vor einer übertriebenen Euphorie im Sommerloch. In der gegenwärtigen Diskussion über die unterschiedlichen Modelle werde der wichtige Aspekt einer sozialverträglichen Erhebung von Studiengebühren sträflich vernachlässigt.
Darin sieht das CHE eine Gefahr: "Mit Studiengebühren kann man erheblichen Schaden anrichten, wenn man sie nicht sozialverträglich gestaltet", sagte Frank Ziegele, Projektleiter beim Centrum für Hochschulentwicklung. Die bloße Einführung von 1000 Euro pro Jahr könnte für viele Studierende aus einkommensschwachen Elternhäusern das Aus bedeuten; daher bedürfe es der gleichzeitigen Entwicklung von Darlehens- und Stipendiensystemen. "Länder wie Australien oder die Niederlande machen uns vor, wie man Studiengebühren einführt, bei denen Studierende nicht abgeschreckt werden", so Ziegele. Jeder derzeit diskutierte Vorschlag müsse an seinen sozialen Effekten gemessen werden.
Erfreulich sei, dass der Vorschlag des Hamburger Wissenschaftssenators Dräger offenbar einen richtigen Weg aufzeige: Dort werde die Idee des "Darlehens mit einkommensabhängiger Rückzahlung" verfolgt, die beispielsweise derzeit auch in England von der Blair-Regierung umgesetzt wird. Jeder Studierende, der die Gebühren zu Studienbeginn nicht aufbringen kann, erhält ein Darlehen, das er später bei hohem Akademikerverdienst als kleinen Prozentsatz seines Einkommens zurückzahlt. Diese Regelung ohne Risiko und damit ohne Abschreckung für die Studierenden hatte das CHE in einem "Studienbeitragsmodell" bereits 1998 vorgeschlagen. Auch in den Folgejahren hat das CHE, u.a. mit der Hochschulrektorenkonferenz und der TU München, sozial tragfähige Modelle erarbeitet. Sowohl der Staat als auch die Hochschulen seien nun in der Pflicht, solche Modelle umzusetzen, sagte Ziegele.Quelle: idw
(Berlin, 4. August 2004) "Wer meint, durch eine Dauerberieselung ein Urteil der höchsten deutschen Richter präjudizieren zu können, läuft Gefahr, die Macht der Schlagzeilen zu überschätzen", erklärte der Präsident des Deutschen Studentenwerks (DSW), Prof. Dr. Hans-Dieter Rinkens, heute zur neu entflammten Studiengebührendebatte in Berlin. Das Bundesverfassungsgericht hat Anforderungen an ein Rahmengesetz formuliert. Die 5. und 6. Novelle des Hochschulrahmengesetzes unterscheiden sich durchaus. Nur weil das Bundesverfassungsgericht die Juniorprofessur wegen zu detaillierter Bestimmung mit äußerst knapper Richtermehrheit gekippt hat, ist dies noch lange keine Infragestellung des Leitbildes der Chancengerechtigkeit durch Studiengebührenfreiheit im Hochschulrahmengesetz. Demnach ist das Erststudium studiengebührenfrei; in besonderen Fällen kann das Landesrecht Ausnahmen vorsehen. "Von einem Verbot kann daher nicht die Rede sein", sagte Rinkens.
"Mich verblüfft die Gewissheit einiger, die gegenwärtigen Studienbedingungen als ausreichende Gegenleistung für das Erheben von Gebühren für ein Studium anzusehen", so der DSW-Präsident.
Wie Studiengebühren wirken könnten, zeige folgendes Szenarium:
Bei einer durchschnittlichen Fachstudiendauer von 5,8 Jahren an Universitäten würden bei 500 Euro pro Semester abgerundet 5.500 Euro Studiengebühren anfallen. Häuslebauer wüssten, dass die Verzinsung die Darlehensschuld verdoppelt. Das seien dann schon 11.000 Euro. Besonders hart betroffen wären BAföG-Empfänger, deren Darlehensschuld erst seit März 2001 auf 10.000 Euro begrenzt worden sei. Damit kämen BAföG-Empfänger bei zusätzlichen Studiengebühren am Studienende auf eine Belastung von 21.000 Euro.
Wenn mit dem erfolgreichen Berufseinstieg auch die Familiengründungsphase beginne, könnte sich eine Darlehenslast der Partner von 42.000 Euro angesammelt haben.
Mit 42.000 Euro Schulden erhalte man aber nach dem neuen individuellen Bankenrating Basel II keinen Kredit mehr; Existenzgründungen sind damit ausgeschlossen. Besonders misslich sei, dass diese verschuldeten Familien auch noch in die Rentenkassen der Generation der Studiengebührenbefürworter einzahlen müssten; daneben müssten sie noch selbst Privatvorsorge treffen, weil sie keine ausreichenden Rentenerträge erwarten könnten.
"Das Prädikat 'sozial gerecht' kann so nicht erteilt werden", resümierte der DSW-Präsident.Quelle: idw





