Rund 200 Studentinnen und Studenten haben am Mittwoch in Wiesbaden gegen Sozialabbau und Hochschulgebühren demonstriert. Die Studenten hätten auf ihrem Marsch durch die Innenstadt kurzzeitig eine Kreuzung blockiert, berichtete die Polizei. Größere Verkehrsbehinderungen habe es aber nicht gegeben. Blockiert haben die Studierenden, die sich durch die Bannzone zum Landtag vorgearbeitet haben, auch den Eingang des Gebäudes, das die Abgeordneten deshalb vorübergehend nicht verlassen konnten.
[siehe Frankfurter Rundschau]
(Berlin, den 12.12.2003) Das Deutsche Studentenwerk (DSW) begrüßt die gegenwärtigen fantasievollen Proteste von Studierenden gegen geplante Kürzungen und Studiengebühren. "Diese Gebühren würden Studierende aus Familien benachteiligen, die über ein niedriges Einkommen verfügen", sagte der DSW-Generalsekretär, Achim Meyer auf der Heyde. Schon jetzt gäbe es einen sozialen Selektionsprozess, Studiengebühren würden diesen noch weiter verschärfen. "Nur noch 13 Prozent der Studierenden kommen aus Familien mit niedrigem Einkommen, vor gut 20 Jahren lag dieser Anteil noch bei 23 Prozent", betonte Meyer auf der Heyde.
"Anstatt mit Hilfe von Studiengebühren Druck auf die Studierenden auszuüben, um ein Studium zügiger zum Abschluss zu bringen, sollten Hochschulen und Studentenwerke vielmehr so ausgestattet werden, dass genügend Seminare angeboten werden können, Bibliotheken auf dem aktuellen Stand sind und ein Studium nicht an unzureichenden Rahmenbedingungen scheitert", unterstrich der Generalsekretär. Zudem sei allen Akteuren bekannt, dass es an einem tragfähigen Stipendiensystem mangele, um soziale Härten zu vermeiden.
Ferner hätten Bund und Länder erfolgreich für den Hochschulstandort Deutschland geworben. Angesichts von mehr als 2 Millionen Studierenden in diesem Wintersemester, den schlechten Noten für das deutsche Bildungssystem in PISA-Studien, OECD- und nationalem Bildungsbericht, seien nun endlich mehr Investitionen für den Bildungsbereich notwendig. "Der Widerspruch zwischen den Anforderungen an unser Bildungssystem und die Bereitschaft, in die Bildung zu investieren, muss aufgebrochen werden. Studiengebühren verlagern nur das Problem und verschärfen damit die Situation, sie lösen es aber nicht", sagte Meyer auf der Heyde.
Er wandte sich auch gegen die Kürzungen, die viele Studentenwerke hinnehmen müssten. "Preiswertes Wohnen, kostengünstige Verpflegung und ein breites Spektrum an Beratungs- und Kulturangeboten sind ein Plus im internationalen Wettbewerb um einen attraktiven Hochschulstandort", so Meyer auf der Heyde. Wer angesichts eines künftigen Hochschulraums Europa mit internationalisierten Hochschulen den Studentenwerken die Mittel kürze, handele fahrlässig. "Das DSW fordert daher Bund und Länder zu einem Umdenken in ihrer Haushaltspolitik auf", so Meyer auf der Heyde. Um die dringend benötigte Erhöhung der Absolventenquote zu erreichen, müssten alle Akteure an einem Strang ziehen. Daher sollten Bildungsausgaben in öffentlichen Haushalten als Investitionen angesetzt werden.
Quelle: Pressemitteilung des Deutschen Studentenwerkes
Dudenhofen (jub) - Jörg-Uwe Hahn (FDP) folgte als dritter Fraktionsvorsitzender des hessischen Landtags der Einladung von Schulleiter Dr. Fredi Ruths zur Diskussionsreihe in der Claus-von-Stauffenberg-Schule (CvSS).
[...] Angesprochen auf die von der CDU-Landesregierung geplanten Studiengebühren kritisierte Hahn, dass die Einnahmen nicht den Hochschulen zur Verfügung stünden. Innerhalb seiner Partei sei die Einführung von Gebühren allgemein umstritten. Er plädiere dafür, denn nach seiner Erfahrung würden Leistungen häufig erst dann wirklich geschätzt, "wenn sie mit dem Qualitätsmerkmal Kosten versehen sind". Damit stieß er auf Protest vieler Schüler, die auf sozial schwächer Gestellte hinwiesen. [Weiterlesen bei der Offenbach-Post Online]
Hinter der Diskussion über Studiengebühren verschwindet die Notwendigkeit, das Hochschulsystem entlang wissenschaftlicher und nicht zuerst ökonomischer Grundsätze zu erneuern.
VON TORSTEN BULTMANN
Derzeit ist die gesamte öffentliche Hochschulreformdiskussion zu Gunsten eines dominanten ökonomischen Diskurses entpolitisiert worden, in welchem Begriffe wie "Ef-fizienz", "Eigenverantwortung" und (finanzielle) "Selbstbeteiligung" eine tragende Rolle spielen. Strukturprobleme und politische Reformdefizite werden vor diesem Hintergrund vorrangig im Medium von Finanzierungsfragen erörtert und damit quasi unkenntlich, undebattierbar, gemacht.
Dabei ist (. . .) in der Präsentation des Studiengebührenthemas in den letzten 15 Jahren ein signifikanter Wandel festzustellen. Bis weit in die 90er Jahre wurde diese Forderung überwiegend eher defensiv und technisch erhoben: Gebühren galten - gerade aus der Perspektive der Rektoren - als Ersatz für eine rückläufige staatliche Hochschulfinanzierung. Heute hingegen steht primär die vermeintlich produktive bildungspolitische Lenkungswirkung im Vordergrund.
Zunächst wird angenommen, dass Studiengebühren die Studienzeiten verkürzen - aus dem ganz trivialen Grund geringerer persönlicher Kostenbelastung. Diese Beschleunigung ist jedoch nur ein Art Kollateralnutzen. Worauf es weit mehr ankommt, ist die Tatsache, dass Gebühren auf Seiten der Studierenden ein rechenhaft-kalkulierendes und instrumentelles Verhältnis zu den eigenen Bildungswünschen und wissenschaftliche Interessen erzeugen würden; sicher nicht in jedem Einzelfall, aber im gesellschaftlichen Durchschnitt.
Kurz: Studiengebühren sollen das persönliche Bildungsverhalten, angefangen bereits bei der Wahl der Fachrichtung, stärker auf künftige Verwertbarkeit ausrichten, da sie als "Preis" für Bildung - in der Sprache neoliberaler Bildungsökonomie: als individuelle Investition in das eigene Humankapital - eine künftige Rendite abwerfen müssen, die nur die Form eines mit dem jeweiligen Bildungsabschluss zu erzielenden Markteinkommens haben kann.
Die wissenschaftlichen Konsequenzen bestünden schließlich darin, dass die Fachbereiche ihrerseits indirekt gezwungen sind, ihre Angebote stärker auf den (Arbeits-) Markt auszurichten, um Studierende anzuwerben, und zwar in dem Maße, wie sie auf Einnahmen aus Gebühren angewiesen sind. Neuere Studienkontomodelle verkoppeln in diesem Rahmen konsequenterweise die staatliche (Rest-)Finanzierung der Hochschulausstattung mit dem Umfang studentischer "Nachfrage" nach Lehrangeboten. Wettbewerbsvorteile erzielen dann die Hochschulen, die mit dem geringstmöglichen Aufwand eine maximale Zahl von glücklich wirkenden Studierenden durch das "System" schleusen. Rein technisch lässt sich ein solches Modell eventuell installieren. Dass damit allerdings der gesellschaftliche Nutzen von Hochschulen gesteigert würde, ist eine völlig unbewiesene Behauptung. Vermutlich dürften die notwendigen wissenschaftlichen Folgeinvestitionen zur Beseitigung der gesellschaftlichen Schäden, die ein solches Bildungsverständnis anrichtet, wesentlich höher sein als kurzfristig erzielte Einsparungen. Also kann man es auch gleich sein lassen - was nicht nur kostengünstiger wäre, sondern überhaupt erst den Raum für eine wirkliche Hochschulreformdebatte schaffen würde, eine Debatte, die sachgemäß beim gegenwärtigen gesellschaftlichen Zustand ansetzten und die Betriebswirtschaftslehre ignorieren muss.
Quelle: Frankfurter Rundschau
Siehe hierzu auch: www.kHOSSmos.de.vu
In einer Pressemitteilung schreibt das Hessische Ministerium für Wissenschaft und Kunst folgendes:
Wissenschaftsministerium weist Kritik des Giessener Unipräsidenten zurück
Sprecherin: „Verfahren zur Umsetzung des Studienguthabengesetzes mit Verwaltungsbediensteten abgesprochen“
Wiesbaden. – Mit Erstaunen hat das Hessische Ministerium für Wissenschaft und Kunst Äußerungen des Präsidenten der Justus-Liebig-Universität in Gießen, Prof. Stefan Hormuth, zur Kenntnis genommen. Hormuth hatte kritisiert, dass die Umsetzung des Studienguthabengesetzes innerhalb eines so kurzen Zeitraumes unmöglich zu schaffen sei. „Als Unipräsident müsste Herr Prof. Hormuth wissen, dass mit den Verwaltungsbediensteten der Hochschulen ein Verfahren abgesprochen wurde, das die Einnahmen von Gebühren auch schon für das Sommersemester ermöglicht“, sagte Ministeriumssprecherin Adrienne Lochte. Bei diesem Verfahren werde die Feststellung des Studienguthabens und die Erhebung der Gebühr vom Rückmeldeverfahren, das für die Hochschulen schon Anfang März bzw. Anfang April, abgekoppelt.
Des weiteren verwahrte sich die Sprecherin des Wissenschaftsministeriums gegen den von Hormuth verwendeten Ausdruck „Bummelstudenten“. - „Das ist kein Terminus des Wissenschaftsministeriums“, so die Sprecherin. Denn es gebe eine Reihe von nachvollziehbaren Gründen, um zum Langzeitstudenten zu werden. Und diese würden bei den Regelungen berücksichtigt.
Anscheinend können die auch etwas mehr Bildung brauchen: man beachte die grammatikalischen Schwächen...
11. Dezember 2003 Wissenschaftsminister Udo Corts (CDU) muß sich bei Hochschulauftritten vor Eierwürfen und fliegenden Torten hüten, Ministerpräsident Roland Koch (CDU) reagiert bei seinem wichtigsten politischen Thema neuerdings ungewohnt gereizt: Im von Koch versprochenen "Bildungsland Nummer eines" Hessen treffen die seit Wochen anhaltenden Studentenproteste die Landesregierung empfindlich.
[...]
Zwei Punkte erschweren Hessens Wissenschaftsminister Udo Corts und der CDU die Debatten mit wütenden Studenten und der Landtagsopposition: Erstens hat die Regierungsfraktion den Hochschulen in dem Anfang 2002 unterzeichneten Hochschulpakt tatsächlich einen festen Finanzrahmen - also keine Einsparungen - bis 2005 zugesagt. Daß die Hochschulpräsidenten trotzdem schon für 2004 Kürzungen um 30 Millionen Euro hinnehmen müssen, ist Wasser auf die Mühlen der Kritiker.
Zweitens hat Koch in seinem Sparpaket für 2004 die Einnahmen aus den schon lange geplanten Gebühren nicht - wie ursprünglich gedacht - für die Hochschulen, sondern für den Landeshaushalt vorgesehen. 24 Millionen Euro sollen damit allein 2004 in die Kasse kommen. Aus der Weichenstellung hin zu mehr Eigenständigkeit der Hochschulen wurde damit ein Mittel zur Geldbeschaffung für den Staat. [Weiterlesen bei der FAZ]
Siehe auch: Yahoo! Nachrichten - Studenten aller Bundesländer ziehen beim Protest an einem Strang
Der Stifterverband der Deutschen Wissenschaft (Zweck laut Satzung "ist vorrangig die Förderung von Wissenschaft und Forschung. Daneben (...) auch die Förderung von Bildung und Erziehung") hat zusammen mit dem Centrum für Hochschulentwicklung (CHE, primär finanziert von Bertelsmann) eine Studie bei FORSA in Auftrag gegeben. Der Stifterverband schreibt dazu in einer Pressemitteilung:
Studierende mehrheitlich für Studiengebühren
Voraussetzung ist Verwendung der Mittel für die Lehre
[11.12.2003 - 09:26 Uhr]
Essen (ots) - Eine deutliche Mehrheit der Studierenden in Deutschland befürwortet die Einführung allgemeiner Studiengebühren.
59 Prozent der Studierenden sagen, dass sie der Einführung einer Studiengebühr in Höhe von 500 Euro pro Semester zustimmen würden, wenn die Mittel unmittelbar der Hochschule zugute kämen. Weitere Bedingung ist, dass die Gebühr erst nach Beendigung des Studiums fällig wird, wenn eine gewisse Einkommensgrenze überschritten wird. (...)
Vor drei Jahren war diese Zahl bei derselben Frage noch 12 Prozentpunkte geringer.
Damit erreicht die Akzeptanz derartig gestalteter Studiengebühren unter den Studierenden fast einen gleich hohen Wert wie in der Gesamtbevölkerung. Dort liegt die Zustimmung bei 67 Prozent und ist ebenfalls seit 2000 weiter gestiegen. "Die Umfrage zeigt, dass das bestehende bundesweite Gebührenverbot in keiner Weise dem politischen Willen der Bevölkerung und der Studierenden gerecht wird. Es wird höchste Zeit, dass dieser Missstand korrigiert wird", kommentierte Prof. Dr. Manfred Erhardt, Generalsekretär des Stifterverbandes die Ergebnisse.
Die Umfrage zeigt allerdings auch, dass 94 Prozent der
Studierenden und 72 Prozent der Bevölkerung Studiengebühren ablehnen, wenn diese nicht sozialverträglich abgesichert sind und dem allgemeinen Landes- und Bundeshaushalt zufließen. "Die Studierenden wollen nicht die Melkkuh für die Finanzminister sein, sondern ihre Studiensituation verbessern", erklärte CHE-Leiter Detlef Müller-Böling. "Mit den aktuellen Kürzungen wird nicht nur die bestehende Unterfinanzierung der Hochschulen dramatisch ausgeweitet, sondern auch die Chance auf akzeptierte Gebührenlösungen verspielt." (...)
Die ganze Meldung unter http://www.presseportal.de/story.htx?nr=508464, die ausführlichen Studienergebnisse als PDF unter http://www.che.de/Intranet/webservices/news/uploads/forsaergebnisse_149.pdf
501 Studierende wurden befragt, und das von zwei Hochschulpolitischen Schwergewichten, die schon seit Jahren pro Gebühren sind. Dass dabei nicht anderes herauskommt, braucht niemand zu wundern. Dass sie aber gleichzeitig auch Studiengebühren herbeigeschrieben haben, die Studierende vom Studium abschrecken (weil "sozialunverträglich" und während des Studiums erhoben) und nicht den Hochschulhaushalten zugute kommen, das scheinen sie erst jetzt zu bemerken.
Traurig.
Am Mittwoch besuchte Wissenschaftsminister Udo Corts (CDU) - nebst vier Bodyguards - die Studierendenschaft der TU Darmstadt im Audimax. Hier kam es zu hitzigen Diskussionen und Buh-Rufen. Später in Marburg wurde Corts von einem Studenten mit einem rohen Ei beworfen, während er im Staatsarchiv eine Rede hielt um einen Wissenschaftspreis zu überreichen. Der Student wurde festgenommen.
08. Dezember 2003 - 'Selbst Studiengebührbefürworter lehnen das Kochsche Modell der Studiengebühren ab. Dies ist ein erneuter Beleg dafür, wie schädlich diese Gebühren wären, deshalb fordern wir die CDU-Landesregierung auf, den Gesetzentwurf umgehend zurückzuziehen', sagt die hochschulpolitische Sprecherin der Landtagsfraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Sarah Sorge.
DIE GRÜNEN verweisen damit auf eine Äußerung der baden-württembergischen Kultusministerin Annette Schavan (CDU), die gestern in der Talkshow 'Christiansen' erklärt hatte, dass Studiengebühren, die nicht den Hochschulen zu Gute kämen, sondern dazu dienten, Haushaltslöcher zu stopfen, eine 'Studentensteuer' und deshalb abzulehnen seien. [via press relations]
Die Süddeutsche schreibt darüber, Was die derzeitigen Studenten-Proteste auszeichnet. Wichtig ist mir hierbei zu erwähnen, dass Radikalität zunächst weder Gewalt noch sonst irgendwelche Militanz beinhaltet. Viele Leute scheinen das nicht zu verstehen. Der soziale Kahlschlag der hessischen Landesregierung ist auch radikal. Das grösste Kürzungsprogramm welches es in einem Bundesland seit 1945 gab verlangt geradezu auch nach den massivsten Protesten seit 1945. Alles andere wäre ein Verlust von Verhältnismässigkeit. Und es sollte uns klar werden, auf welche Zeiten wir uns dann wieder zubewegen würden.
Hier noch einmal die Liste der Kürzungen (PDF).