Der Stifterverband der Deutschen Wissenschaft (Zweck laut Satzung "ist vorrangig die Förderung von Wissenschaft und Forschung. Daneben (...) auch die Förderung von Bildung und Erziehung") hat zusammen mit dem Centrum für Hochschulentwicklung (CHE, primär finanziert von Bertelsmann) eine Studie bei FORSA in Auftrag gegeben. Der Stifterverband schreibt dazu in einer Pressemitteilung:
Studierende mehrheitlich für Studiengebühren
Voraussetzung ist Verwendung der Mittel für die Lehre
[11.12.2003 - 09:26 Uhr]

Essen (ots) - Eine deutliche Mehrheit der Studierenden in Deutschland befürwortet die Einführung allgemeiner Studiengebühren.
59 Prozent der Studierenden sagen, dass sie der Einführung einer Studiengebühr in Höhe von 500 Euro pro Semester zustimmen würden, wenn die Mittel unmittelbar der Hochschule zugute kämen. Weitere Bedingung ist, dass die Gebühr erst nach Beendigung des Studiums fällig wird, wenn eine gewisse Einkommensgrenze überschritten wird. (...)
Vor drei Jahren war diese Zahl bei derselben Frage noch 12 Prozentpunkte geringer.
Damit erreicht die Akzeptanz derartig gestalteter Studiengebühren unter den Studierenden fast einen gleich hohen Wert wie in der Gesamtbevölkerung. Dort liegt die Zustimmung bei 67 Prozent und ist ebenfalls seit 2000 weiter gestiegen. "Die Umfrage zeigt, dass das bestehende bundesweite Gebührenverbot in keiner Weise dem politischen Willen der Bevölkerung und der Studierenden gerecht wird. Es wird höchste Zeit, dass dieser Missstand korrigiert wird", kommentierte Prof. Dr. Manfred Erhardt, Generalsekretär des Stifterverbandes die Ergebnisse.
Die Umfrage zeigt allerdings auch, dass 94 Prozent der
Studierenden und 72 Prozent der Bevölkerung Studiengebühren ablehnen, wenn diese nicht sozialverträglich abgesichert sind und dem allgemeinen Landes- und Bundeshaushalt zufließen. "Die Studierenden wollen nicht die Melkkuh für die Finanzminister sein, sondern ihre Studiensituation verbessern", erklärte CHE-Leiter Detlef Müller-Böling. "Mit den aktuellen Kürzungen wird nicht nur die bestehende Unterfinanzierung der Hochschulen dramatisch ausgeweitet, sondern auch die Chance auf akzeptierte Gebührenlösungen verspielt." (...)


Die ganze Meldung unter http://www.presseportal.de/story.htx?nr=508464, die ausführlichen Studienergebnisse als PDF unter http://www.che.de/Intranet/webservices/news/uploads/forsaergebnisse_149.pdf

501 Studierende wurden befragt, und das von zwei Hochschulpolitischen Schwergewichten, die schon seit Jahren pro Gebühren sind. Dass dabei nicht anderes herauskommt, braucht niemand zu wundern. Dass sie aber gleichzeitig auch Studiengebühren herbeigeschrieben haben, die Studierende vom Studium abschrecken (weil "sozialunverträglich" und während des Studiums erhoben) und nicht den Hochschulhaushalten zugute kommen, das scheinen sie erst jetzt zu bemerken.
Traurig.

# Donnerstag, 11. Dezember 2003, 15:46, von heinrich in Presse

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seg kommentierte am Donnerstag, 11. Dezember 2003, 17:02:
Die Umfrage ist nicht besonders repräsentativ

Die Umfrage ist insofern irreführend, da hier lediglich die Akzeptanz von Studiengebühren in bestimmten Fällen nachgefragt wurde, aber nicht wirklich, ob jemand dafür oder dagegen ist. Beispielsweise können die Fragen auch wie folgt verstanden werden: "In dem Fall, dass Studiengebühren eingeführt werden, würden sie diese akzeptieren, wenn...". Es wird also vorgekaukelt, dass sie ohnehin kommen. Ist ja klar, dass die seichtesten Varianten dann auch genommen werden.

Es fehlen (mindestens zum besseren Vergleich) einfach Fragen wie: "Sind sie für ein gebührenfreies Studium? Ja oder nein?"

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heinrich kommentierte am Freitag, 19. Dezember 2003, 13:36:
"Centrum für Hochschulbetrug"...

In einer Pressemitteilung vom 19. Dezember 2003 kommentiert der Freie Zusammenschluss von StudentInnenschaften diese Studie wie folgt:
Centrum für Hochschulbetrug
fzs fordert von Hochschulen Aufkündigung der Zusammenarbeit mit dem CHE

BONN. Der freie zusammenschluss von studentInnenschaften (fzs) fordert die Hochschulen und die Politik auf, nicht mehr mit dem Centrum für Hochschulentwicklung (CHE) zusammenzuarbeiten. Spätestens seit der am 11.12.2003 vom CHE veröffentlichten und nach Angaben des fzs manipulativen Umfrage sei mehr als deutlich, dass es sich bei der von Bertelsmann-Stiftung und Hochschulrektorenkonferenz (HRK) getragenen gemeinnützigen GmbH nicht um einen neutralen Think-Tank handelt. Hintergrund der aktuellen Kritik ist eine Pressemitteilung des CHE, in der die Behauptung aufgestellt wird, Studierende seien mehrheitlich für Studiengebühren. Der fzs bezeichnete die Umfrage als "propagandistisch". "Wer solche Umfragen durchführt und veröffentlicht, kann sich nicht frei und unabhängig nennen. Das ist schlicht unglaubwürdig!", so Colin Tück vom Vorstand des fzs.

Das CHE stützt sich bei seiner Behauptung auf eine Studie des forsa-Instituts. Diese Studie, die mit gleicher Fragestellung bereits 1998 und 2000 durchgeführt wurde, beinhaltete jedoch nicht die Möglichkeit, sich tatsächlich gegen jegliche Studiengebühren auszusprechen. Stattdessen besteht nur die Möglichkeit, zwischen drei angebotenen Ausgestaltungen von Studiengebühren die bevorzugte auszuwählen. Die These, Studierende seien mehrheitlich für Studiengebühren, sei bei einer derart suggestiven Umfrage nicht haltbar, so der fzs. "Man konnte sich quasi zwischen Pest und Cholera entscheiden. Der eigene Anspruch des CHE, wissenschaftlich profiliert und autonom zu arbeiten, erweist sich als glatte Lüge", macht Vorstandskollegin Nele Hirsch deutlich.

Aus Sicht des fzs hat man die Meldung über die angebliche Befürwortung von Studiengebühren ganz bewusst in eine Zeit von studentischen Streiks und Protesten gelegt. "Das CHE versucht, die demokratischen Rechte der Studierenden, auf die Straße zu gehen, durch die Konstruktion einer 'schweigenden Mehrheit' zu delegitimieren," so Hirsch weiter.

Das CHE wurde 1994 gegründet und bezeichnet sich selbst als "keiner politischen Richtung oder gesellschaftlichen Organisation verpflichtet". Der fzs bezeichnet dies als "Lippenbekenntnis" und spricht stattdessen von "gezielter Meinungsmache". Die HRK fordert der fzs auf, gründlich zu überdenken ob sie die selbsternannte "Reformwerkstatt für das deutsche Hochschulwesen" weiter guten Gewissens tragen kann. "Wenn die HRK für Studiengebühren ist, so ist das eine ehrliche Position in der Debatte. Sich dabei solch unlauterer Taktiken wie dieser Umfrage zu bedienen sollte die HRK aber nicht nötig haben und als Dachverband von wissenschaftlichen Einrichtungen nicht verantworten können!", so Tück abschließend.

Und auch das Aktionsbündnis gegen Studiengebühren kommt mit folgender Pressemitteilung mit interessanten Details in die Pötte:
Umfrage des Centrums für Hochschulentwicklung arbeitet mit fragwürdigen Methoden

Eine Pressemitteilung des Centrums für Hochschulentwicklung (CHE) vom 11. Dezember ist mit „Studierende mehrheitlich für Studiengebühren“ überschrieben. Die genaue Formulierung der Fragen gibt das CHE weder in der Pressemitteilung noch auf der Homepage bekannt. Erst auf mehrfaches Nachfragen des Aktionsbündnisses gegen Studiengebühren (ABS) wurden uns die Fragen überstellt. „Dabei gibt es nicht die Möglichkeit zu antworten, dass man Studiengebühren ablehnt“, erklärt ABS-Geschäftsführer Klemens Himpele.

Dass es nicht um die Frage „Studiengebühren: Ja oder Nein“ ging, räumte indirekt auch der Referent des CHE, Frank Ziegele in der Sendung „Forum“ auf SWR 2 am Dienstag, den 16.12.2003 ein. Die Frage, ob man ankreuzen konnte, dass man gegen jede Form von Studiengebühren sei, verneinte er. Vielmehr habe man drei Varianten von Gebühren vorgelegt und zu diesen dann Zustimmung oder Ablehnung erbeten.

„Mit dieser suggestiven Fragestellung ist das CHE schon 1998 aufgefallen“, so Klemens Himpele. „Schon damals behaupteten CHE und der Stifterverband der Deutschen Wirtschaft, dass die Mehrheit der 22- bis 25-jährigen Studierenden für Gebühren seien. Das Aktionsbündnis gegen Studiengebühren schrieb dazu bereits 1999: „Wer sich an der Befragung überhaupt beteiligte, war bereits mitten in einer Diskussion über Studiengebührenvarianten. […] Da die Befragten in den suggestiven Kontext versetzt wurden, über ein bevorzugtes Studiengebührenmodell politisch mitentscheiden zu dürfen, ‚wählte’ der größere Teil folglich die ‚mildeste’ Variante von den drei genannten. Das Ergebnis dann so zu deuten, als sei die Mehrheit von 1,8 Millionen Studierenden für Studiengebühren, ist eine an Kühnheit kaum zu übertreffende ‚Interpretation’.“

Das schon 1998 beauftragte forsa-Institut erklärte damals, dass es nicht um die Frage ging, ob man für oder gegen Studiengebühren sei. „Ziel der Befragung war es, die Akzeptanz verschiedener, in Zusammenhang mit der Erhebung von Studiengebühren diskutierter Vorschläge zu ermitteln."

Die Ergebnisse solcher „Umfragen“ veröffentlicht das CHE in schöner Regelmäßigkeit in zeitlicher Nähe zu großen studentischen Protesten. Damit soll suggeriert werden, dass die Demonstrierenden eine Minderheit gegenüber einer großen, schweigenden Mehrheit seien. „Diese manipulativen Methoden machen einmal mehr deutlich, dass das CHE kein Think Tank sondern eine interessengeleitet Lobby zur Einführung von Studiengebühren ist,“ so Klemens Himpele
Spät, aber nötig!

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