Sich in einem Blog nur auf ein so eingeschränktes Thema wie "Gegen Studiengebühren in Hessen" zu konzentrieren, geht meiner Meinung nach am Kern der Sache vorbei, da dies lediglich Symptombekämpfung ist.

Wie ich aus eigener leidvoller Erfahrung und aus Artikeln wie "Widerstand gegen den Sozialabbau wächst" ersehe, geht es nicht nur um eine isolierte Sache (hier: die Einführung von Studiengebühren), sondern darum, dass die gegenwärtige Regierung diesen Sozialstaat als Ganzes systematisch kaputtmacht - und, damit sich nicht allzu grosser Widerstand regt, geschieht dies - genau kalkuliert - sozusagen "häppchenweise". Da ist es mit dem Vorgehen gegen einen einzelnen Bereich nicht getan.

Mir stellt sich ganz grundsätzlich die Frage: Inwieweit bin ich als Bürger bereit, in Gesetz umgewandeltes Unrecht (aktuell: die teilweise Abschaffung der Befreiung von der Zuzahlung bei Medikamenten u. ärztlichen Leistungen) noch mitzutragen, oder: Wie stelle ich mich grundsätzlich zu einer Regierung, die nicht das Wohl der breiten Bevölkerung, sondern lediglich das einzelner Lobbys im Auge hat - und dies, 2002 nun wieder für vier Jahre gewählt, immer weniger kaschieren muss.

Gerade in der deutschen Geschichte hat sich ja gezeigt, wohin es führen kann, wenn Recht und Gesetz nicht mehr übereinstimmen. Ich meine, dass uns das mehr als nachdenklich stimmen sollte! Übertrieben? Ich fürchte, leider nicht!

Als Ergänzung ein paar Links:

Zu dem allseits bemühten Argument "es wäre kein Geld da, ergo müsste gespart werden" empfehle ich das sehr lesenswerte Buch "Geld ist genug da", herausgegeben von Herbert Schui und Eckart Spoo. Die dort angerissenen Themen reichen von der Umverteilung der Steuerlast weg von der Einkommen- und hin zur Lohnsteuer über die finanzielle Situation der Kommunen bis hin zu Praktiken der Grosskonzerne, beispielsweise Gewinne - statt diese zu investieren - ins Ausland zu transferieren und sich diese dann wieder in Form von Krediten zurürckzuholen (und alles steuerfrei, versteht sich).

Eine Linksammlung zum Thema "Faulheit und Arbeit".

Artikel: Sparkurs auch in Israel. Dort ist die Situation wesentlich verschärfter als hierzulande: Beispielsweise zünden dort Sozialhilfeempfänger aus Protest auf offener Strasse Autoreifen an.

# Mittwoch, 19. November 2003, 10:59, von claus in Kritisches

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moe kommentierte am Mittwoch, 19. November 2003, 17:43:
Politik vs Ökonomie?

Hallo Claus,
zunächst vielen Dank für Deinen gut recherchierten Beitrag! ;)
Auch ich frage mich, ob dies nicht zu kurz greift. Wie in dem Beitrag "Streik-Perspektivenwechsel" eines Freundes von mir aufgegriffen wird, stellt sich in der Tat die Frage, ob man einem ökonomischen Diskurs nicht einen politischen gegenüberstellen müsste.
Bislang wurde gegen die Studiengebühren, welche ja in der Tat nur ein Bruchteil einer breit angelegten politischen Kampagne sind, in der Tat vorrangig auf einer neoliberalen, ökonomischen Ebene argumentiert. Einerseits erreicht man damit vielleicht mehr Studierende aufgrund ihrer jeweiligen Sozialisationserfahrungen. Andererseite lässt man sich auf genau die Diskursebene herab, welche inhaltlich ja letztendlich kritisiert wird. Eine spannende Frage also, nur wie kann man sie lösen? Wird sich das durch den weiteren Verlauf der Proteste herauskristallisieren, oder braucht es die Aktion einzelner Meinungsmacher?

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claus antwortete am Freitag, 21. November 2003, 03:52:
Danke ;-)

Vielen Dank für deinen Kommentar! Ich habe vor ein paar Monaten mal die Biografie von Rudi Dutschke, geschrieben von seiner Frau Gretchen, gelesen. Auch wenn diese Biografie hier im Internet sehr kritisch betrachtet wurde, hat sie mir doch sehr wertvolle Informationen geliefert. Und dass die Unis derzeit streiken, wusste ich nicht - schon von daher ist ein Blog wie dieses sicher sehr positiv. Ein wichtiger Ansatzpunkt (der auch über den von Dir angeführten ökonomischen Diskurs hinausgehen würde) wäre die Erfahrungen, die die Studentenbewegung (mit all' ihren Fehlern) in den späten Sechzigerjahren gemacht hat - ergänzt durch das, was sich inzwischen getan hat.

Links:

Zur Dutschke-Biografie von Ulrich Chaussy

Die Autoren der 68er-Generation (Links zu Kurzbiografien und Literaturhinweisen; die Kurzbiografien sind allerdings sehr kurz; es fehlt hier auch, soweit ich gesehen habe, die "Frankfurter Schule" um Horkheimer, Adorno, Marcuse, welche den 68ern u. a. den theoretischen Unterbau geliefert hat).

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