Während der Streiks an den Berliner Unis debattieren Aktivisten über eine Verbindung mit Protesten gegen Agenda 2010. Ein Bericht Von Jan Maas
Rund 40 Menschen sind in die Berliner Humboldt-Universität gekommen, um darüber zu diskutieren, wie eine Zusammenarbeit zwischen streikenden Studenten und Aktivisten im Betrieb aussehen kann. Im Hörsaal ist noch Platz für viele mehr – aber zur gleichen Zeit besetzen auch einige hundert Studenten die Berliner SPD-Zentrale im Stadtteil Wedding.
Die vier Referenten sind sich einig in der Ablehnung sozialdemokratischer Sparpolitik, wie sie sich in Schröders Agenda 2010 zeigt. In verschiedenen Metall- und Elektrobetrieben in Berlin haben linke Gewerkschafter darum Anfang Dezember Protestaktionen geplant. Sie wollen mit der Veranstaltung unter den streikenden Studenten um Solidarität werben, während die Studenten sich Gedanken machen, ob sie mit einem Bündnis ihrem Streik mehr Druck verleihen können.
Ein Student ist skeptisch, ob es überhaupt genug Gemeinsamkeiten zwischen Studenten und Arbeitern gibt. Die Antwort kommt schnell: "Die Agenda 2010 bedroht die Lebensqualität aller Menschen in Deutschland."
Ein anderer: "Zum Beispiel wird durch die Rentenreform unsere Ausbildungszeit nicht mehr auf die Rente angerechnet. Wie sollen wir jetzt noch auf die 45 Beitragsjahre kommen, die für die volle Rente gefordert werden, wenn diese Pläne durchkommen?"
Ein dritter: "Ich bin stolz darauf, dass in jeder unseren Streikresolutionen immer drinsteht, dass auch nicht bei anderen gekürzt werden soll."
Michael Schlecht von der Gewerkschaft ver.di berichtet, dass es unter Gewerkschaftern "sehr viel Sympathie" für den Streik an den Unis gibt. Aber er hat auch eine Kritik an den bisherigen Aktionen der Studenten: "Ihr habt noch nicht die entscheidenden Gebäude besetzt: Das sind nämlich die SPD-Zentrale und das Kanzleramt."
Für diesen Vorschlag gibt es Sympathie, aber es erinnert sich auch ein Student daran, dass ver.di im Frühsommer Aktionen gegen Agenda 2010 als aussichtslos abgeblasen hat. Viele Kollegen vertreten eben die Meinung, dass gespart werden müsse, verteidigt der Gewerkschafter sich.
Ein Student und ver.di-Mitglied hält dagegen: "Diese Aktionen waren wirklich halbherzig. Die Kollegen haben keine Lust, sich für Aktionen vor den Karren spannen zu lassen, die nichts bringen. Aber der 1. November hat ja gezeigt, dass es auch anders geht."
Ein Gewerkschafter meint, dass sich in den Gewerkschaften etwas ändern muss, damit die Angriffe zurückgeschlagen werden können. "Aber ich bin da optimistisch. Wenn Menschen in Bewegung geraten, wie jetzt im Unistreik, dann stellen sich für viele Menschen politische Fragen. Auch in den Betrieben kann eine Eigendynamik entstehen wie an den Unis. Ich denke die Unistreiks sind ein Vorbote einer allgemeinen gesellschaftlichen Gärung."
aus: Linksruck Nr. 167, 10. Dezember 2003
Mehr als 2.000 Menschen haben heute in Kassel gemeinsam gegen das Sparpaket der Regierung Koch demonstriert. Erstmals gingen Studierende und Gewerkschaften gemeinsam auf die Straße. [via indymedia]