Widerstand ist zwecklos!
Bertelsmanns (bzw. Gruner+Jahrs)
>UniSpiegel< offeriert Studiengebühren und -kredite
Thomas Barth
Medienkritik zu: Studieren auf Pump, UniSpiegel 2/2006, S.8-15. (von www.medienwatch.de)
Nach jahrelanger, selbstverständlich auch in den Medien des Gütersloher Bertelsmann-Konzerns (Spiegel, UniSpiegel, Stern, Financial Times Deutschland, RTL, n-tv usw.) totgeschwiegener institutioneller Studiengebühren-Wühlarbeit von Bertelsmann-Stiftung & Co. wird nun in denselben Bertelsmann-Medien lautstark für Studiengebühren getrommelt, als wären die Ideen dafür vom Himmel gefallen. So auch im "UniSpiegel", Sprössling des berühmten, einst linksliberalen Nachrichtenmagazins.
Nicht ohne Häme verkündet der "UniSpiegel" stolz: "Der Kampf gegen die Studiengebühren scheint verloren. Viel zu schnell haben die Landesregierungen gehandelt. Und viel zu langsam die Protestler." Der Autor des Artikels "Studieren auf Pump" scheint eher ein Finanz- als ein Bildungsexperte zu sein, denn der Text (Untertitel: "Während die Pläne zur Einführung von Studiengebühren immer konkreter werden, bringen Kreditinstitute ihre Finanzierungsmodelle auf den Markt. Was taugen die Angebote?") liest sich seitenweise eher wie eine Werbebroschüre der Deutschen Bank, die da selbst mittendrin eine ganzseitige Anzeige plazierte ("Sie studieren -wir finanzieren: StudentKredit für nur anfänglich effekt. 5,9% p.a."). Ein paar der "Protestler", scheinbar nicht die eloquentesten, kommen natürlich auch zu Wort, soviel kritischer Anstrich muss sein. Ihre Aktionen werden aber verächtlich als schon verloren abgetan.
Im kurzen Protestler-Interview versucht der UniSpiegel weniger etwas zu erfahren, als vielmehr den Studentenvertreter zum Aufgeben zu überreden; UniSpiegel fragt: "...glauben Sie wirklich, dass allgemeine Studiengebühren noch verhindert werden können? (...) Und dennoch werden die meisten deutschen Studenten schon bald zahlen müssen. Wofür kämpfen Sie noch? (...) Zu den Protestaktionen sind nicht besonders viele Studenten gekommen. (...)" Und als der etwas lau dagegen redende Student sich uneinsichtig zeigt: "Können Sie sich vorstellen, notfalls mit den Landesregierungen zusammenzuarbeiten, um die Gebührenmodelle sozialer zu gestalten?" Aber nicht einmal auf diesen raffinierten Einbindungsversuch fällt der Interviewte herein, er will nicht und beharrt: "...Ob nun Gebühren kommen oder nicht. Wir wollen ein Zeichen setzen." Auch ein anderer Student, dessen Namen der UniSpiegel womöglich lustig fand, darf auf die Vorhaltung der angeblichen Zwecklosigkeit des Widerstandes antworten; Martin Dümmer, 20, meint: "Es war wichtig ein Zeichen zu setzen." Der UniSpiegel höhnt zurück: "Wirklich?" -und behauptet gebetsmühlenartig, der Widerstand sei verloren.
Zur Rektorats-Besetzung in Bielefeld heißt es: "Revolution in Bielefeld: Die Studiengebühren sollten kippen" und "Ihr Ziel war klar. Und auch, dass sie es nie erreichen würden." Alles, so UniSpiegel, war vergebens, man habe kaum etwas erreicht. Statt inhaltlich zu berichten, variiert der UniSpiegel nur sein Leitthema: Widerstand ist zwecklos. Der Artikel steigert seinen in drei knappen Absätzen abgehandelten Protestler-Bericht zum dramatischen Showdown: während die Bielefelder noch protestieren, "...kam per Handy die Nachricht: Die Studenten von Paderborn geben auf. Sie waren die engsten Mitstreiter." Ätsch.
Dann folgen sieben Seiten mit Werbung für diverse Studienkredite, eingeleitet mit einer lustigen Farbgrafik: Eine Lego-Burg mit Aufschrift "Universität" hat von Lego-Polizisten gut bewachte Tore, vor denen sich Lego-Schulabgänger drängeln. Vor jedem Tor ist eine Kasse, darüber steht: Eintritt 500,-. An Lego-Banktürmen des Burgwalls prangen Euro-Zeichen und fröhliche Sprüche: Uni Finanz, Fairer Kredit, Goldene Karriere, Bachelor-Kredit, Elite Studium. Ein paar Lego-Professoren lächeln in ihre weißen Lego-Bärte; Sprechblase dazu: "Jetzt kehrt hier Ruhe ein!" und ein paar Lego-Elite-Studenten mit Lego-Anzug und Lego-Krawatte grinsen heiter auf dem leeren Lego-Campus; Sprechblase dazu: "Endlich sind die Loser weg!" Die viel zahlreicheren Lego-Proleten vor dem Burgwall dürfen in ihren Sprechblasen gar nichts sagen, nur "Puhh! Ufff! Ahhh! und Bohh!" Artikulieren kann nur die Elite.
Mehrfach nennt der UniSpiegel-Redakteur die Studiengebühren auch "Akademiker-Abgabe", ohne auf die Idee zu kommen, dass darin aus Versehen ein kluger Gedanke steckt: Wenn schon Geld für Uni-Bildung abkassieren, dann könnte man Akademiker heran ziehen, die mit ihrem kostenlos erlangten Abschluss einen fett bezahlten Posten, etwa als UniSpiegel-Redakteur, ergattert haben. Das Geld bei denen zu holen, die noch nichts haben und vielleicht auch nie haben werden, ist nicht nur unlogisch, sondern auch unsozial. Eine gute Idee erscheint der jetzt geplante Aderlass nur denen, die wie Redakteur Sebastian Christ ihre Schäfchen bereits im Trockenen haben.
Bei soviel sozialem Edelmut scheut sich der UniSpiegler auch nicht in die unterste Stammtisch-Schublade zu greifen: "Der langhaarige Bummelstudent im 20.Semester wird schon bald eine Legende aus längst vergangenen Uni-Tagen sein." Eine für die Gebührendebatte unheimlich wichtige Detail-Information, die tiefen Sozialneid auf Besitzer langer Haare durchblicken lässt. Ist die sogenannte Hochschulreform eine Verschwörung missgünstiger Kahlköpfe?
Nach zweieinhalb Spalten kommt UniSpiegel dann zu seinem Kernthema: den Kreditangeboten der Finanzinstitute, die über fünf Spalten ausgewalzt werden. Ein Bildungsfond mit Namen "Career Concept" wird ausführlich vorgestellt, dann noch ausführlicher die Studienkredite der Deutschen Bank, ganz zuletzt die Kreditanstalt für Wiederaufbau, bei der politisches Hickhack ausgebreitet wird und man erst zuletzt und im Nebensatz erfährt "...die Stiftung Warentest empfahl den KfW-Kredit." Der "UniSpiegel"-Autor und Finanzexperte Sebastian Christ sorgt sich auch um die Lage der Finanzinstitute: "Für Banken ist das Geschäft mit den Kreditanfängern risikoreich, weil Studenten kaum Erfahrung im Geldgeschäft haben..." (S.15) Nichts ist bekanntlich riskanter für einen ausgebufften Banker, als wenn er einem Grünschnabel ohne Erfahrung im Geldgeschäft einen Kreditvertrag andrehen kann. Kurzum: die Studenten werden bei "UniSpiegel" nicht nur verraten und?, sondern auch für dumm verkauft.
Und was verschweigt der "UniSpiegel"?
"UniSpiegel" ist ein Produkt von Bertelsmann und bei RTL, Spiegel & Co. hat man ganz eigene Interessen.
Mit Sicherheit zielen die Motive der Gütersloher Bertelsmänner auf eine Kommerzialisierung des Bildungswesen ab, von der wären sie als größter europäischer Medienkonzern mit großen Ambitionen im "Geschäftsfeld Bildung" Hauptprofiteur. Im bislang kostenlosen deutschen Bildungssektor wäre viel Geld zu holen.
Das wissen auch amerikanische Anleger und deren Geld braucht Medien-Mogul Reinhard Mohn womöglich bald. Denn in seiner milliardenschweren Bertelsmann AG steht die Auszahlung von 25,1 Prozent der Aktien, des Anteils der Group Bruxelles Lambert, an. Muss darum die Einführung von Studiengebühren an deutschen Universitäten so hektisch voran getrieben werden?
Vielleicht sind Studiengebühren deshalb auch das Lieblingskind der Bertelsmann-Bildungspolitik: Das vom neoliberalen Think Tank namens "Bertelsmann-Stiftung" (die Haupteignerin der AG ist und vom Mohn-Familienclan beherrscht wird) abhängige Centrum für Hochschulentwicklung (CHE) wühlt schon lange für Studiengebühren.
Das CHE publizierte z.B. 2004 eine selbst lancierte Umfrage, wonach sogar die Studenten selber angeblich gerne für ihre Bildung zahlen würden, Titel: "Studierende mehrheitlich für Studiengebühren". Nur hatte die Befragung ihnen lediglich verschiedene Gebührenmodelle vorgelegt, ohne die Alternative des freien Studiums zu erwähnen. So der Wolfgang Lieb von www.NachDenkSeiten.de, der dies eine bewusste "Irreführung der Öffentlichkeit unter wissenschaftlichem Deckmantel" nennt.(1)
Wer geglaubt hatte, seine Beteiligung bei der Entwicklung von Modellen sei hier gefragt, war offensichtlich naiv. Man brauchte die Beteiligung der Studierenden, um Studiengebühren überhaupt erst einmal durchzusetzen. Wenn diese dann kommen, ist sehr fraglich, ob ihre Abwicklung oder gar ihre Höhe mit den Betroffenen diskutiert werden wird. Das CHE kooperiert mit vielen Unis bei der Einführung von Studiengebühren und anderen Wegen, Bildung und Wissenschaft marktreif zu machen.
Was tun?
Kommt massenhaft zum Anti-Bertelsmann-Kongress nach Hamburg (14.-16.7.2006) !
Fußnote (1) Vgl. Lieb, W., Argumente wider die Gebührenapologeten, Blätter für deutsche und internationale Politik, 5/2004, 567-577, S.577.
Ich frage mich auch immer was eigentlich mit denen beim Spiegel los ist, da geht man ständig auf die Straße, und was steht dann auf deren Internetseite, dieselben irrelevanten Uniberichte wie immer. Aktueller Ausschnitt:
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