'Gefährdung des Hochschulpaktes durch die Landesregierung'
Uni-Senat verabschiedet einstimmigen Beschluss
Einstimmig hat der Senat der Philipps-Universität am Montag einen von der Liste GEW/Ver.di eingebrachten Beschluss zur 'Gefährdung des Hochschulpaktes durch die Landesregierung' verabschiedet. Der Beschluss hat folgenden Wortlaut:
Das von der Landesregierung vorgestellte Kürzungsprogramm 'Operation sichere Zukunft' gefährdet die Zukunft des Wissenschaftsstandorts Hessen massiv. Nachdem die Hochschulen bereits seit Jahren massiven Budgetrestriktionen ausgesetzt sind, wurde mit dem neuen Budgetzuweisungsmodell die Hoffnung verbunden, dass sie durch herausragende Leistungen in Forschung und Lehre, durch Flexibilität und Innovationskraft ihre Position verbessern könnten. Mit dem Hochschulpakt sollte zudem für die Umstellungsphase die Finanzierungssicherheit gegeben sein.
In allen Punkten wurde gerade die forschungsstarke Philipps-Universität, die in allen bundesweiten Rankings sehr gut abschneidet und deren Wissenschaftler regelmäßig hoch renommierte Auszeichnungen erhalten, schwer enttäuscht. Trotz ausgezeichneter Leistungen in Forschung und Lehre bedeutet die formelbasierte Mittelzuweisung für die Philipps-Universität drastische und kaum umsetzbare Kürzungen. Für alle hessischen Hochschulen wurde zudem mit der Herausnahme der Tarifsteigerungen aus dem Hochschulpakt die durch diesen vorgeblich garantierte Finanzierungssicherheit empfindlich gestört.
Diese Kürzungen sind noch kaum an den Hochschulen umgesetzt, so wird bereits durch das brutale Sparprogramm der Landesregierung eine neue Stufe der Grausamkeiten verkündet. Zunächst wurde ein Einstellungsstopp verhängt, mit dem weder der normale Lehrbetrieb, der auf Hilfskräfte angewiesen ist, noch die Nachwuchsförderung, die in der Regel auf der Basis befristeter Qualifikationsstellen erfolgt, aufrecht zu erhalten gewesen wären. Nach dieser beispiellosen Erpressung, die der von der Landesregierung stets vollmundig zugesicherten Autonomie der Hochschulen Hohn spricht, konnten die hessischen Hochschulpräsidenten nicht anders, als das desaströse Sparziel von 30 Mio. € hinzunehmen. Eine Unterwanderung des Hochschulpakts, die diesen zur Makulatur macht. Ein Vorgang zudem, der in bedrückender Klarheit zeigt, wie wenig die Landesregierung die Hochschulen als gleichberechtigte und autonome Vertragspartner begreift: Ihre 'Pakte' und 'Vereinbarungen' sind das Papier nicht wert, auf dem sie gedruckt sind.
Da bereits in fast allen Bereichen der Philipps-Universität Überlasten bestehen, kann das sich für sie ergebende zusätzliche Einsparvolumen von ca. 1,2 Mio. € durch Personalmaßnahmen allein unmöglich erzielt werden. Dies bedeutet Kürzungen von bereits mageren Sachmitteln, obwohl an den Hochschulen des reichen Bundeslandes Hessen im Industriestaat Deutschland von einer international konkurrenzfähigen Ausstattung bereits seit langem nicht mehr die Rede sein kann. Bei der Versorgung seiner Jugend mit akademischer Bildung hält Deutschland keinem internationalem Vergleich mehr stand.
Die im Zuge des Sparprogramms eingebrachte Arbeitszeitverlängerung, die Kürzung bzw. völlige Abschaffung des Urlaubs- und Weihnachtsgeldes, die zunächst nur bei den Beamten umgesetzt wird, aber nach Verlautbarung der Landesregierung Grundlage für die nächsten Tarifrunde bei Arbeitern und Angestellten sein wird, bringt keine tatsächlichen Einsparungen, es sei denn, dass die nominell größere Kapazität zu Personalabbau missbraucht wird.
Ebenso wird die geplante Erhöhung des Lehrdeputats keine reale Steigerung der Lehrkapazität bedeuten; sie kann nur dann zu Einsparungen führen, wenn die Grundeinheit der Mittelzuweisung, die Clusterpreise, wegen der dann nominell geringeren Kosten pro Studierendem gekürzt würden. Das wäre eine weitere Budgetkürzung durch die Hintertür und würde zu weiteren Stellenstreichungen und zu weiterer Verschlechterung der Ausbildungsqualität führen. Eine Abwärtsspirale, die mit Effizienzsteigerung, Qualitätsmanagement, Output-Steuerung und dem ganzem Begriffsarsenal der von der Landesregierung propagierten Neuen Verwaltungssteuerung nichts mehr zu tun hat.
Mit der geplanten Kürzung der Landesmittel für die Vergütung nicht zweckgebundener Drittmittel wird der letzte tatsächlich leistungsbezogene Parameter der formelbasierten Mittelzuweisung seines Sinns befreit. Von einem 'simulierten Markt', einem fairen Wettbewerb um Exzellenz in Forschung und Lehre, kann spätestens jetzt keine Rede mehr sein. Tatsächlich wird hier nur Objektivität vorgespiegelt, um drastische Etatkürzungen zu kaschieren.
Als vorerst letztes Element der hessischen Sparpolitik ist die Erhebung der Verwaltungsgebühr von 50 € sowie eine Studiengebühr von 500 bis 900 € nach Überschreiten der Regelstudienzeit um drei bzw. vier Semester geplant. Die Erfahrungen in anderen Bundesländern zeigen, dass Einschreibegebühren in der geplanten Höhe den dadurch notwendigen Verwaltungsmehraufwand nicht decken. Die geplante Studiengebühr von 500 € ist bei der durch die Kürzungen verursachten Verschlechterung der Studienqualität nicht erklärbar. Sie soll außerdem dem Hochschuletat nicht zugute kommen, geschweige denn den Hochschulen als direkte Einnahme zufließen. Damit ist sie zweckfremd. Angesichts des jüngst von der OECD konstatierten Akademikermangels in Deutschland sind solche abschreckenden Maßnahmen widersinnig.
Um dauerhaft Exzellenz in Lehre und Forschung erzielen zu können, brauchen die Hochschulen einen nicht kapazitäts-, sondern leistungsorientierten, einen transparenten und fairen Wettbewerb. Sie müssen sich auf die Landesregierung als vertrauensvollen Partner verlassen können, der Ihnen sowohl im internen Strukturwandel, als auch im externen Wettbewerb volle Autonomie zusichert. Die hessischen Hochschulen brauchen einen verlässlichen und berechenbaren politischen und finanziellen Rahmen, um die erforderlichen Umstrukturierungsmaßnahmen sowohl zügig als auch nachhaltig umsetzen zu können. Bildung ist eine langfristige Aufgabe, die von kurzfristigen finanzpolitischen Fehlentscheidungen wie dem aktuellen Sparprogramm in ihrer Substanz massiv angegriffen wird. Um ihre noch hohe Qualität in Forschung und Lehre langfristig zu halten und insbesondere, um sie so zu steigern, dass sie international Schritt halten kann, brauchen die hessischen Hochschulen einen bedeutenden Mittelzuwachs.
http://www.uni-marburg.de/zv/news/presse/11-11-03_2.html