Liebe Studies!

Zunächst einmal muss ich sagen, dass ich es richtig finde, dass der Streik, so wie er in den letzten zwei Wochen stattfand nicht weitergeführt wird. Ich bin allerdings keineswegs für eine Kapitulation – wir sollten uns also Aktionen überlegen, die mit dem normalen Unibetrieb vereinbar sind.

Fakt ist meiner Meinung nach, dass die durchgeführten Aktionen nicht die gewünschte Aufmerksamkeit erregten und dass dieses „Dahinplätschern“ des Streiks schnell zur Frustration unter den Studis und letztlich wieder zum Alltag führt. Wirkliche Aufmerksamkeit erreichen nun mal nur Menschenmassen, wie sie bei Demos zusammenkommen.

Dabei fände ich es keineswegs zu hoch gegriffen, wenn wir mal über die Wiedereinführung der berühmten „Montagsdemonstrationen“ nachdenken. So könnten die Veranstaltungen stattfinden und wir würden uns eben jeden Montag beispielsweise um 18:00 Uhr immer an ein und demselben festen Punkt treffen und demonstrieren. Da nach und nach auch weitere andre Unis in den Kampf ziehen, sollte man die Idee der Montagsdemos auch an sie herantragen. Denn die deutsche Wende wurde ganz entscheidend dadurch forciert, dass jeden Montag zeitgleich in vielen Städten Tausende von Menschen auf die Straße gegangen sind. Wir haben also den besten Beweis dafür, dass so etwas funktioniert und wirklich etwas bringt in unserer eigenen innerdeutschen Geschichte.

Bei einer solchen Synchronisierung und am besten deutschlandweiten Organisierung könnten auch bald die Medien ihre Augen nicht mehr verschließen. Gera hat soweit ich weiß übrigens schon den ersten Schritt getan und die Montagsdemos wieder ins Leben gerufen. Diese Demonstrationen haben zudem den Vorteil, dass sich auch andere Gruppen, die gegen den Sozialabbau protestieren wollen, beteiligen können und sich damit unsere „Schlagkraft“ noch vergrößert. Vielleicht kommt nun das Argument, dass es besser wäre, diese Demos direkt vor Herrn Kochs Nase durchzuführen, aber ich denke, dass es für viele eine Hürde darstellt, regelmäßig nach Wiesbaden zu fahren, um dort zu demonstrieren. Demonstrationen allerdings, die sich wie ein Lauffeuer über ganz Deutschland ausbreiten werden garantiert nicht unbeachtet bleiben. Wenn die Demonstranten dann merken, dass vielleicht in dieser Woche Marburg noch die einzige Stadt ist, aber in der nächsten Woche auch fünf weitere Städte von Montagsdemos „heimgesucht“ werden und in der Woche darauf dann schon zwanzig, hat dies einen ungeheuren verstärkenden Effekt, so dass ich davon überzeugt bin, dass die Demos nicht nach drei Wochen im Sande verlaufen werden.

Mein zweiter Vorschlag bezieht sich auf ein Problem, das der Studentenstreik hat: er tut keinem weh. Wenn die Arbeiter einer Fabrik, die Autoteile herstellt, streiken, tut das weh, weil dadurch weniger produziert wird und es „schlimmstenfalls“ zu Lieferschwierigkeiten beim Endabnehmer kommt. Wenn wir Studenten streiken, sagen viele von den Leuten „da draußen“: „Ach, die Studenten machen doch jetzt auch nix andres, als sie sonst tun – gehen nämlich einfach nicht zu den Veranstaltungen, zu denen sie keinen Bock haben.“. Sie finden unsre Aktionen vielleicht „nett“ aber mehr auch nicht. An irgendeiner Stelle muss der Protest meiner Meinung nach wehtun, um überhaupt wahr- und ernst genommen zu werden.

Deshalb ist mein Vorschlag ein Boykott sämtlicher Marburger Geschäfte. Wir „jammern“, dass wir sofern die Studiengebühren eingeführt werden kein Geld mehr haben, aber warum lassen wir die Marburger nicht mal spüren, was das für sie bedeuten würde? Deshalb sollten wir eine oder zwei Wochen festlegen, in denen wir ausdrücklich zum Boykott aufrufen. Das heißt, dass dann alle Studis (und Profs?) nur Lebensmittel (vorzugsweise bei Aldi und Lidl etc.) kaufen – allerdings NICHT in die Marburger Kneipen, ins Kino oder andere Geschäfte gehen. Natürlich werden da nun Stimmen laut werden, die sagen, dass die Geschäftsleute doch nichts dafür können, wenn der Herr Koch seinen Haushalt auf so abenteuerliche Weise wieder ins Gleichgewicht bringen will. Aber Protest muss nun mal wehtun. Wenn die Fahrer für den Nahverkehr streiken und jemand deshalb nicht zur Arbeit kommt oder gar ein Bewerbungsgespräch verpasst, ist das übel, aber es wird trotzdem so gemacht, weil man anders einfach nicht auf sich aufmerksam machen kann.

Wichtig wäre im Zusammenhang mit dem Boykott, dass er so schnell wie möglich „angeleiert“ und bekannt gemacht wird. Wir sollten nicht zu lange warten, da sonst das Weihnachtsgeschäft beginnt und damit unser Konsumverzicht im allgemeinen Konsumrausch untergeht. Der Vorteil am Boykott wäre eindeutig, dass sich keiner Sorgen um irgendwelche Scheine zu machen braucht und somit eigentlich keine „Ausrede“ für die Nicht-Beteiligung hätte. ;-) Und wenn er auf einen klaren Zeitabschnitt festgelegt wird, kann man sich auch damit arrangieren, glaube ich.

Mein Fazit lautet also: Demos und Boykott – und zwar am besten deutschlandweit (aber wenn wir das in Marburg durchkriegen könnten, wärs natürlich schon ein Riesenerfolg!)!

# Donnerstag, 27. November 2003, 13:39, von anaconda in Aktionen

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